Spürst du dich selbst?
Hast du schon einmal in Erwägung gezogen, dass du mehr bist als dein Körper? Vermutlich schon. Hast du dich schon einmal gefragt, woher deine Gedanken kommen? Wahrscheinlich. Und hast du auch bereits einmal überlegt, ob deine Emotionen alle von dir selbst stammen?
Empathische Menschen stellen sich diese Fragen die ganze Zeit. Sie sind viel damit beschäftigt, auseinanderzuhalten, was von ihnen selbst kommt und was sie von außen aufgenommen haben. Wenn sie in Räume gehen, in denen dicke Luft herrscht, haben sie alle Hände voll zu tun, diese Wolke nicht in sich aufzusaugen, sondern entschlossen vorbeiziehen zu lassen. Wie geht es dir damit? Kannst du ganz in deinem eigenen Wahrnehmungsraum bleiben, auch wenn alle rundherum schlecht drauf sind? Möchtest du das überhaupt oder solidarisierst du dich, damit du dich besser einklinken kannst? Hast du gar nicht die Wahl und kippst einfach rein? Oder schaffst du es umgekehrt vielleicht sogar, die Stimmung ins Positive zu kehren?
Eventuell bist du jemand, der es gewöhnt ist, Stimmungen zu scannen, um sofort abklären zu können, ob du sicher bist oder nicht. Du nimmst vielleicht augenblicklich auf, was in deiner Umgebung gerade vor sich geht, um entsprechend darauf reagieren zu können. Die Chancen stehen gut, dass das lange Zeit deine Überlebensstrategie war. Wenn dem so ist, bist du wunderbar darauf trainiert, die Emotionen anderer Menschen zu lesen. Kannst du das bei dir selbst auch? Und vor allem, nimmst du deine eigenen Empfindungen gleichwertig und gleich wichtig wahr?
Was hast du zu geben?
Wenn du ständig damit beschäftigt bist, andere Menschen zu lesen, ist es einfach, dich selbst zu vergessen. Das, was die anderen belastet und bewegt, ist so nahe bei dir, dass du gar keinen Platz hast, deinen Raum zu spüren. Wenn dir über die Jahre hinweg nie jemand einen Hinweis diesbezüglich gegeben hat, kann es sein, dass dir das alles gar nicht wirklich bewusst ist. Die Emotionen anderer Menschen können sich sehr echt anfühlen und so, als wären es die eigenen. Gleichzeitig lässt dich das Scannen ständig in einen Reaktionsmodus fallen, du reagierst also immer nur auf das, was von außen kommt, anstatt selbst aktiv etwas in den Raum einzubringen. Es kann sein, dass du dich daher sehr passiv und ungehört fühlst. Es gibt hier zwei große Fragen: Erstens, woher kommt dein Verhalten? Dazu ist es eventuell wichtig, in deine Kindheit zurückzukehren. Vielleicht magst du das in Begleitung von einem Therapeuten machen. Zweitens, was hast du zu geben? Und falls du es nicht weißt, sei kurz ganz ehrlich zu dir selbst. Nimmst du dein Empathischsein vielleicht, eventuell, möglicherweise als willkommene Ausrede, nicht näher darüber nachdenken zu müssen? Hmm. Das wollen wir als mitfühlende, sensible Menschen so natürlich nicht unbedingt hören. Ich weiß.
Doch bevor du aus dem Gefühl heraus unfair behandelt und mit fremden Energien überschüttet zu werden, lospolterst, dich über alles beschwerst oder in Selbstmitleid versinkst, versuch kurz innezuhalten. Frag‘ dich selbst, wie groß ist gerade mein eigener Raum, wo ist er und wie fühlt er sich an?
Was ist in deinem Raum?
Möglicherweise stellst du fest, dass du deinen Raum gerade nicht wahrnehmen kannst. Er ist einfach futsch. Nicht da. Nicht mal ansatzweise vorhanden. Noch mehr Grund zu Selbstmitleid. Oder Grund genug, auf Spurensuche zu gehen.
Wenn wir uns selbst nicht spüren, wenn wir glauben, die Kontrolle zu verlieren, uns nicht gesehen fühlen, glauben nicht gut genug zu sein, uns unfair behandelt fühlen oder uns übermäßig verantwortlich fühlen, begehen wir manchmal Fehler. Wir verletzen manchmal Menschen mit unserem Verhalten. Wir vergessen, was uns eigentlich wichtig ist. Diese Aktionen sind oft sehr wegweisend und können uns zum Hinschauen und Umdenken bewegen. Wir fragen uns dann, wie diese Wechselwirkungen zu Stande kommen. Und wir merken vielleicht, unser Raum ist bis oben gefüllt mit Unsicherheiten und Unklarheiten und Meinungen, die nicht unsere eigenen sind.
Mit allem, was wir in uns haben, gehen wir auch im Außen in Resonanz. Es passt einfach zur Ausrichtung, enthält die selbe Schwingung, dockt an, verstärkt sich. Hmm. Klingt nach Physikunterricht, Wellenüberlagerung und so. Dabei ist es unwesentlich, ob etwas Positives oder etwas Negatives verstärkt wird. Es verstärkt sich einfach, wenn es in der selben Frequenz schwingt, die selbe Amplitude aufweist und die selbe Phasenlänge hat. Also kurz und laienhaft ausgedrückt, je ähnlicher zwei Schwingungen sind, desto größer das Ergebnis, wenn sie aufeinandertreffen.
Was willst du verstärken?
Es gibt vermutlich nicht so viele Menschen, die es bereits schaffen, immer vollständig ruhig und ausgeglichen zu sein. Aber je besser wir uns selbst spüren, desto früher erkennen wir, wenn wir aus der Balance geraten. Wenn wir wissen, was in unseren Raum gehört, merken wir viel eher, wenn jemand von außen etwas reinwirft und wir können dann aus unserem eigenen Raum heraus mit Klarheit an die Sache herangehen. Wir können entscheiden, was wir damit machen. Spüren wir, dass etwas in unserem Inneren damit in Resonanz geht? Wollen wir hinsehen? Oder merken wir sogar, damit sind wir früher in Resonanz gegangen, aber es findet aktuell keinen Anklang mehr? Vielleicht sind wir auch kurz gestolpert, aber bevor wir auf die Nase gefallen sind, haben wir schon erkannt, dass wir gerade Stolpern und konnten rechtzeitig gegensteuern. All das sind ziemliche Fortschritte.
Nimm dir nach solchen Situationen Zeit, deine Verbindungen wieder zu stärken: zu deinem Herzen, zur Erde, zur Sonne. Sensibel auf deine Umwelt zu reagieren, ist eine ganz wundervolle Eigenschaft. Lerne trotzdem bei dir zu sein und zu bleiben. Manchmal ist dazu Rückzug notwendig. Mit der Zeit wird es dir immer besser auch in Gesellschaft gelingen. Auch Gelassenheit und Liebe verstärken sich, wenn sie sich finden. Was also hast du zu geben?