Die Erinnerungen, die an unseren Worten hängen
Schon interessant: Wir wollen nicht durchschnittlich sein und schon gar nicht der Norm entsprechen. Trotzdem sind unsere Vorstellungen davon, was gut, schön und richtig ist, oft sehr standardisiert.
Wie uns die Wörter prägen, die wir verwenden
Zu Weihnachten allein sein? Ohhh, da kommt gleich ein bisschen Mitleid auf. Das ist ja traurig. Wirklich? Oder nur dann, wenn du selbst auch tatsächlich so darüber denkst?
Generell ist das Alleinsein ein sehr großes Thema. Für jene, die nie wirklich allein sind, klingt es schrecklich. Alle, die schon einmal einsam waren, verwechseln es gerne. Mit sich all eins sein, ist nämlich nicht das Gleiche wie dieses ungemütliche Gefühl, sich unwichtig, ausgeschlossen und eben einsam zu fühlen.
Ob allein oder einsam – die Wörter, die wir benutzen, sind im Grunde nur Hülsen, die wir über einen Begriffsinhalt stülpen. Je nachdem, wie wir diese Wörter abgespeichert haben, beginnt etwas anderes in uns zu klingen. Wir schwingen also mit den Erinnerungen, die an den Worten hängen. Wovon wurden sie geprägt diese Worte, die das benennen, was wir innen eigentlich meinen? Meist sind es kulturelle Spuren, denen wir folgen, die unsere Werte in bestimmte Bahnen lenken. Im Kleinen sind es auch Erfahrungen und Erlerntes aus unserem näheren Umfeld und der Familie. Wer sich viel mit sich selbst beschäftigt, weiß, ein großer Teil des inneren Aufräumens besteht darin, sich eben dieser Prägungen bewusst zu werden. Sie kennenzulernen und sie zu erforschen. Oft entdecken wir dabei, dass manche von ihnen den eigenen Bedürfnissen gar nicht mehr entsprechen. Dann können wir sie ablegen und bewusst neue Informationen in unser System speisen. Wir können sogar neue Maßstäbe setzen. Wir können, wenn wir es wollen. Gut möglich, dass dadurch die Norm etwas ins Wanken gerät. Gut möglich, dass es von außen manchmal etwas seltsam aussieht. Gut möglich, dass manches auch für uns selbst neu ist. Gut und möglich.
Wie wir den eigenen Wortschatz mit neuen Erinnerungen füllen können
Zu Weihnachten schwitzend in der Küche stehen, tausend Dinge gleichzeitig machen und den Erwartungshaltungen aller gerecht werden, während man sich innerlich ans andere Ende der Welt wünscht? Ja, zu Weihnachten ist es eben immer ein bisschen stressig. Klar. Großes Verständnis von allen, die es selbst so erleben.
Auch Stress ist so ein großes Thema. Für jene, die sich unter Druck fühlen, ist er der Tropfen, der alles zum Überlaufen bringen kann. Er ist aber auch ein wichtiger Begleiter für alle, die ihre eigene Wichtigkeit sonst nicht so gut spüren. Wer emsig ist, ist fleißig, aktiv und bringt Leistung. Wer Leistung bringt, ist wichtig. So haben wir es zumindest gelernt. Und irgendwer hat auch einmal gesagt: In der Ruhe liegt die Kraft. Klingt schon gut, aber ob das tatsächlich so ist, lässt sich schwer sagen, weil so wirklich Zeit für Ruhe? Ist eben nicht.
Mittlerweile ist es sehr lange her, da habe ich das Wort Stress sehr oft verwendet. So oft, dass mich jemand sogar darauf hingewiesen hat. Das hat mich zum Nachdenken gebracht und ich beschloss damals, ein Experiment zu machen: Ich strich das Wort aus meinem Wortschatz. Jedes Mal, wenn ich es sagen wollte, versuchte ich darüber nachzudenken: Wie kann ich es anders ausdrücken oder ist das, was ich sagen möchte wirklich wichtig? Ist es wirklich wichtig oder möchte ich mich wichtig machen, weil ich mich gerade nicht gesehen fühle? Hui, großer Unterschied!
Tanzt du mit dem Leben?
Selbstreflektiert und mit Humor auf die eigenen Erfahrungen zu schauen, ist eigentlich erst möglich, wenn man durch so manches durch ist. Wer nicht vergessen hat, wie es sich anfühlt, mittendrin zu stecken im unsortierten Ich, kann nachvollziehen, dass eben nicht alles so einfach ist, wie es sich kurz mal hinschreiben lässt. Es ist manchmal einfach verdammt schwer. Wie oft wären wir gerne schon weiter und könnten gewisse Dinge anders machen. Jemand, der sich nicht um eine Großfamilie kümmern muss, tut sich auch ziemlich leicht, zu sagen, wie es besser gehen könnte. Und jemand, der in seinem Umfeld gut eingebettet ist, hat eben auch noch nie erlebt, wie es ist, sich selbst guten Appetit zu wünschen.
Wir alle haben unseren ganz eigenen Tanz mit dem Leben. Vergleiche machen da einfach keinen Sinn. Interesse und Mitgefühl ändern aber alles. Wir können damit bei uns selbst anfangen. Wer mit sich selbst sanfter ist, ist es auch mit anderen. Wer gewisse Prägungen durchschaut hat, reagiert anders. Wer bereit ist, das, was da ist, neu zu füllen, ist am besten Weg zum Überfluss. Wer überfließt, hat genug. Was überfließt, darf verschenkt werden.
Manches dreht sich, wenn wir bereit dazu sind
Der Tropfen, der alles zum Überfließen bringt, ist oft negativ besetzt. Dieser Tropfen kann aber tatsächlich auch bedeuten, dass du selbst gut gefüllt bist und jetzt so weit bist, anderen etwas zu geben, ohne selbst weniger zu werden. Möchtest auch du einen Schritt in eine neue Richtung gehen? Achte auf deine Worte und welche Erinnerungen mit ihnen verbunden sind. Finde heraus, welche Worte du besonders oft sagst und wie sie deine Sicht auf die Welt und deinen Alltag im Kleinen beeinflussen. Öffne dein Herz für etwas, das dir nicht liebenswert erscheint. Werde weich und definiere deine Konturen neu.
Ich wünsche dir das, was du jetzt gerade am meisten bauchst. Mögen die nächsten Tage eine Quelle für neue Erkenntnisse sein. Ein Brunnen, der dich immerwährend versorgt. Ein Fluss, der dich innerlich durchströmt. Du allein entscheidest dann, ob du das Fass überhaupt noch brauchst.
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