Vom Glück, zum richtigen Zeitpunkt einen Kopfstand zu machen
Die Individualität in der Vielfalt anzuerkennen, das ist mitunter ein wichtiger Teil meiner aktuellen Arbeit. Nein, ich war nicht immer an diesem Punkt, obwohl ich immer schon die individuelle Energie der Menschen ganz intensiv wahrgenommen habe.
Früher gab es aber noch andere Aspekte, die mich zu einem gewissen Grad daran hinderten, mir das alles zu erlauben. Und nicht nur mir, sondern allen um mich herum. Ich wollte natürlich dazugehören und ins Schema passen und mich so verhalten, wie es angeblich sein musste. Das bedeutete auch, dass ich über gewisse Themen nicht sprach und es gleichzeitig allen recht machen wollte. Was für ein Dilemma. Das bedeutete nämlich, ich konnte (wollte) nie ganz ich selbst sein und war ständig im Spagat. Ziemlich anstrengend, im Nachhinein betrachtet. Das war auch die Zeit, in der ich mich beweisen wollte, in der ich überaus perfekt sein wollte, in der ich mich selbst grob für Fehler verurteilte und andere genauso.
Was für ein Glück, dass just zum richtigen Moment ein Mensch in mein Leben trat, der alles auf den Kopf stellte. Es war ziemlich spannend, alles plötzlich aus einer neuen Perspektive zu betrachten, wunderschön um es genau zu sagen. Nach und nach wurde mir aber klar, ich wollte zwar die neue (Kopfstands-)Perspektive, musste aber gleichzeitig mein Leben aufrecht auf zwei Füßen bewältigen. Ab diesem Moment wurde es etwas kompliziert. Ich schwankte zwischen Realität und Wollen hin und her und war völlig aus dem Gleichgewicht. Mein ganzes Leben war plötzlich aus dem Gleichgewicht. Ob ich wollte oder nicht, jedes noch so kleine Teilchen wurde umgedreht. Ich war aufgefordert hinzuschauen.
Diese alles verändernde Begegnung konfrontierte mich mit Themen, die ich vorher weit weggeschoben hatte. Mein Herz wurde so laut, wie noch nie, mein Körper so feinfühlig, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich erinnerte mich an Situationen meiner Kindheit, in denen eben diese Feinfühligkeit zum Hindernis wurde und verstand plötzlich. Sie war nie ganz weg, ich hatte sie nur völlig unterdrückt. Ersetzt durch etwas Anderes, überspielt und manchmal auch vergessen, aus Selbstschutz, weil ich nicht wusste, wie ich mit ihr umgehen sollte.
Viele Jahre und einige Tiefpunkte später, kann ich nun diesen großen Wendepunkt mit ganz anderen Augen betrachten. Was für ein Segen. Er hat mich zu dem gebracht, was ich eigentlich immer tun wollte. Für andere da zu sein, aber eben gleichzeitig mich selbst wahrzunehmen und wertzuschätzen. Sanfter zu werden. Mehr zu leben, weniger zu zerdenken. Das alles wurde möglich, weil ich wusste, wie ich mich fühlen wollte. Dieses Ziel behielt ich immer im Auge, auch in den schwierigsten Phasen, auch in den dunkelsten Stunden, auch dann, wenn ich einen Fehler machte, weil ich mächtig überfordert war mit diesem Wandel.
Noch nie zuvor hatte ich so wahrhaftig erfahren, wie Körper, Geist und Seele miteinander verwoben waren. Mir wurde nach und nach immer klarer, dass ich meinen eigenen Ausdruck ganz individuell in diese Welt bringen musste. Auch dann, wenn jemand sagen könnte, was für ein Blödsinn. Der innere Antrieb war endlich stärker, als die Angst, nicht gemocht zu werden. Halleluja. Es war plötzlich möglich, aufrecht durch die Welt zu gehen und im Kopf hatte sich trotzdem alles gedreht.